Der Frieden zwischen Israel und Palästina ist möglich !!

Uri Avnery vertritt seit 1948 die Idee des israelisch-palästinensischen Friedens und die Koexistenz zweier Staaten: des Staates Israel und des Staates Palästina, mit Jerusalem als gemeinsamer Hauptstadt. Uri Avnery schuf eine Weltsensation, als er mitten im Libanonkrieg (1982) die Front überquerte und sich als erster Israeli mit Jassir Arafat traf. Er stellte schon 1974 die ersten geheimen Kontakte mit der PLO-Führung her.

  • Uri Avnery trifft Jassir Arafat - Foto Uri Avnery 1982

  • Festakt zur Verleihung der Carl-von-Ossietzky-Medaille 2008 der Internationalen Liga für Menschenrechte. Von links nach rechts: Mohammed Khatib & Abdallah Aburama (Bürgerkomitee von Bil'in), Rachel Avnery, Fanny-Michaela Reisin (Präsidentin der Liga), Uri Avnery, Adi Winter & Yossi Bartal (Anarchists against the wall) - Foto Michael F. Mehnert CC BY-SA 3.0

  • Bild Interview Sternenjaeger.ch Copyright 2012 - sternenjaeger.ch

Archiv

Sep 22, 2013

Gestohlene Kriege


WENN JEMAND von dir etwas Kostbares stiehlt, sagen wir einen Diamanten, wirst du ärgerlich sein.
Selbst Gott sagt so etwas. Als Er einen Wurm sandte, um die  Rhizinusstaude  , die dem Propheten Jona  in der Wüste Schatten spendete, verdorren ließ, fragte er ihn  boshaft:  „Meinst du, dass du mit Recht zürnst um der Staude willen? „ (Jona4,9)
Und nun ist da jemand, der uns etwas viel Kostbareres als einen Diamanten oder eine Staude gestohlen hat.
Einen Krieg, vielleicht sogar zwei Kriege.
Also haben wir jedes Recht, wütend zu sein.




KRIEG NUMMER EINS sollte in Syrien stattfinden. Die US waren dabei, das Regime von Bashar al-Assad anzugreifen. Eine medizinische Operation: kurz, sauber, chirurgisch
Als der Kongress zögerte, wurden die Hunde der Hölle losgelassen. AIPAC sandte seine  Rottweiler auf den Kapitolhügel, um jeden  Senator oder Kongressmann, der dagegen war, in Stücke zu reißen. In Israel wurde gesagt, dass Benjamin Netanjahu sie auf ausdrücklichen Wunsch von Barack Obama dorthin sandte.
Aber die ganze Übung ging von Anfang an schief. Die Amerikaner sagten, sie würden das Assad-Regime nicht stürzen. Gott bewahre! Im Gegenteil. Assad sollte bleiben. Es war nicht nur ein Fall eines Teufels den man kennt und deshalb  gegenüber dem vorzieht, den man nicht kennt  – es war klar, dass der andere Teufel  viel schlimmer wäre.
Als ich sagte, dass die US, Russland, der Iran und Israel ein gemeinsames Interesse hätten, Assad zu stützen, sah ich einige Augenbrauen hochgehen. Aber es war einfach logisch. Keiner dieser ungebührlichen Genossen hatte ein Interesse, in Syrien eine bunte Menge gewalttätiger Islamisten an die Macht zu bringen, die  die einzige Alternative zu sein schienen, wenn der Kampf weiterging.
Bekämpft man also jemanden, von dem man wünscht, dass er bleibt? Das gibt nicht viel Sinn. Also, kein Krieg.

DIE ISRAELISCHE Wut  über einen guten Krieg, der dreist gestohlen wurde, war sogar noch größer.
Falls die Amerikaner nicht ganz bei Sinnen sind, dann wären wir praktisch schizophren.
Assad ist ein Araber, ein böser Araber. Es ist noch schlimmer: er ist der Verbündete des großen, bösen Wolfs – des Iran. Assad liefert den Korridor für den Transfer von Waffen vom Iran zur Hisbollah im den Libanon.  Wahrlich, das Zentrum der Achse des Bösen.
Stimmt, aber die Assads – Vater und Sohn und ihr unheiliger Geist – haben an ihrer Grenze mit Israel Ruhe gehalten. Seit Jahrzehnten kein einziger Schuss. Wenn er stürzt und sein Platz von  verrückten Islamisten übernommen wird – was wird dann geschehen?
Das israelische Herz sagt darum: schlagt ihn, schlagt ihn hart. Aber das israelische Gehirn sagt– ja, das gibt es irgendwo auch - sagt, halte ihn, wo er ist. Es ist ein wirkliches Dilemma.
Doch gibt es noch  eine andere Betrachtungsweise, eine viel ernstere für Netanyahu und Co: den  Iran.

ES IST eine Sache, einen kleinen chirurgischen Eingriff  zu stehlen.  Etwas ganz  anderes ist es,  einer wirklich großen Operation beraubt zu werden.
Ein israelischer Cartoon zeigte kürzlich den Präsidenten des Iran, wie er vor dem Fernsehschirm sitzt, und  sein Popcorn isst und mit Gefallen beobachtet, wie Obama in Syrien geschlagen wird.
Wie kann Obama auf den Iran Druck ausüben, fragen die israelischen Kommentatoren und Politiker, wenn er den Druck auf Syrien aufgegeben hat? Nachdem er Assad die dünne rote Linie ungestraft hat überschreiten lassen, wie will er die Iraner daran hindern, die viel dickere rote Linie zu  überqueren, die er dort gezogen hat?
Wo ist die amerikanische Abschreckung? Wo ist die Furcht, die von der mächtigen Weltmacht eingeflößt wurde? Warum würden die Ayatollas sich davon abhalten lassen, ihre Atombombe zu bauen, nachdem der amerikanische Präsident in die primitive Falle fiel, die ihm die Russen legten, wie es die Israelis sehen?

UM EHRLICH zu sein, kann ich ein bisschen Schadenfreude über die traurige Lage unserer Kommentatoren nicht unterdrücken
Als ich kategorisch feststellte, dass es keinen amerikanischen Militärschlag gegen den Iran gebe    und auch keinen israelischen, dachten einige meiner Bekannten, ich sei übergeschnappt.
Kein Krieg? Nachdem Netanyahu ihn versprochen hatte? Nachdem Obama seinem Beispiel gefolgt ist. Es muss einen Krieg geben!
Und siehe da, der Krieg verschwindet in der Ferne.
In Israels Augen  wird der Iran von einer verrückten Bande  religiöse Fanatiker beherrscht, deren einziges Ziel es ist, Israel zu vernichten. Sie sind voll damit beschäftigt, die Bombe zu bauen, mit der sie genau das tun wollen. Sie kümmern sich nicht darum, dass der  zweite Schlag von Seiten Israels  sicher ist, und der den Iran auf immer zerstören  würde. Sie sind nun mal diese Art von Leuten. Die Produktion der Bombe muss unter allen Umständen verhindert werden. Einschließlich des Kollapses der Weltwirtschaft als Folge der Schließung der Straße von Hormus.
Das ist ein klares Bild, jeder Teil ist in sich evident. Leider hat es keine Verbindung zur Realität.

DIE EREIGNISSE der letzten Zeit produzierten ein völlig anderes Bild
Es begann mit den Wahlen im Iran. Der leicht verwirrte Ahmadinejad, der pathologische Holocaustleugner, ist verschwunden. An seine Stelle wurde ein bescheiden aussehender, moderater Hassan Rouhani gewählt.
Solch eine Wahl wäre  ohne die Zustimmung des obersten Führers  Ali Khamenei unmöglich gewesen. Offensichtlich war Rouhani seine persönliche Wahl.
Was bedeutet dies? Für israelische Kommentare ist es ganz offensichtlich:  die verschlagenen, trickreichen Perser betrügen wieder die ganze Welt. Sie werden natürlich fortfahren, ihre Bombe zu bauen. Aber die naiven Amerikaner werden ihren Lügen glauben, kostbare Zeit wird verloren sein, und eines Tages werden die Iraner sagen. Jetzt haben wir die Bombe! Von jetzt ab können wir tun, was wir wollen! Besonders die zionistische Entität zerstören!
All dies ist auf pure Fantasie gebaut.  Die Iraner sind weit davon entfernt, ein primitives, selbstzerstörerisches Volk zu sein. Es ist ihnen sehr bewusst, dass sie die Erben einer glorreichen Zivilisation sind, wenigstens so alt und so reich wie die jüdische Vergangenheit. Die Idee, Königinnen zu tauschen – wir zerstören euch, ihr zerstört uns– ist lächerlich, besonders wo doch das Schachspiel, ein persisches Spiel ist (allein das Wort „Schach“  soll vom persischen Shah, (König), kommen)
Tatsächlich sind die iranischen Führer sehr vorsichtig, sehr überlegt. Sie haben nie ihre Nachbarn angegriffen. Der schreckliche, acht Jahre lange Krieg mit dem Irak war von dem leichtsinnigen Saddam Hussain begonnen worden.
Der Impuls zum Entwickeln der Bombe kam, als die machttrunkenen Neokonservativen in Washington, die meisten von ihnen zionistische Juden, ganz offen davon sprachen, den Iran als nächstes anzugreifen, direkt nach dem kurzen kleinen  Krieg, mit dem sie im benachbarten Irak rechneten.
Anscheinend hat die iranische Führung entschieden, dass es jetzt weit wichtiger ist, die Wirtschaft zu fördern, als mit der Bombe zu spielen. Während sie von Natur aus Händler sind – Basar ist auch ein persisches Wort – mögen sie die  Bombe aufgeben, damit die Sanktionen aufgehoben würden und  die Reichtümer Irans für den Wohlstand der Bürger ausgenützt werden können, die hoffen, eine fortgeschrittene  moderne Gesellschaft zu werden. Deshalb wählten Khamenei und  das Volk jemanden wie Roukhani.

IN DIESER Woche strahlte das israelische Fernsehen einen Dokumentarfilm  über das Leben der Israelis im Iran zur Zeit des Shahs aus. Es war  ein regelrechtes  Paradies (auch ein persisches Wort). Die Israelis lebten wie Gott in Frankreich. Sie bauten die gefürchtete geheime Polizei  auf(Der Savak – nicht mit dem Shaback, dem israelischen Model- zu verwechseln)Sie nahmen sich seiner Generäle an, von denen die meisten in Israel ausgebildet wurden. Sie bauten seine Industrie auf und begannen seine nuklearen  Einrichtungen zu bauen. Reine Nostalgie.
Iranisches Öl wurde nach Europa durch Israel exportiert, und zwar mittels einer Pipeline, die zwischen Elath und Askalon gelegt und vom Shah finanziert wurde. Der amerikanisch-israelisch-iranische Deal, als Iran-Gate bekannt, wurde in den frühen Tagen des Ayatollahs (buchstäblich: Zeichen des Allah)  ausgedacht.
Diejenigen, die in der Geschichte zurückgehen wollen, sollen an die Tatsache, erinnert werden,  dass die Juden Dank des  großen persischen Kaisers Cyrus , aus der babylonischen Gefangenschaft nach Jerusalem zurückkehren konnten, wie es denn auch in der Bibel berichtet wird( in den Büchern Ezra und Nehemia).
Die moderne Verbindung zwischen Israel und dem Iran wurde auf der gemeinsamen Feindschaft gegen die Araber aufgebaut und könnte leicht  wieder ins Blickfeld geraten. Politik ist wie Pornographie  ???, sie sind eine Sache der Geographie.

DIE KRIEGSMÜDE amerikanische Bevölkerung scheint geneigt zu sein, sich mit den Iranern zu arrangieren. Businessmen wollen Basarhändler treffen und hoffen,  einen Deal zu machen statt Krieg.
Zur selben Zeit ist auch in Syrien eine positive Entwicklung möglich. Jetzt, wo die USA und Russland entdeckt haben, dass sie in dieser kritischen  Region zusammen arbeiten können, mögen die beiden Seiten des Bürgerkrieges  des gegenseitigen Mordens müde sein und mit einer politischen Lösung (die ich  letzte Woche z.B. beschrieben habe) übereinstimmen.
Dies würde zwei gestohlene Kriege machen – gestohlen von jenen, die an einem primitiven Glauben festhalten und darin übereinstimmen, die einzige Lösung für jedes Problem sei die Anwendung nackter Gewalt.
Eine Dame  aus Pakistan sandte mir folgendes Wort von Bertrand Russell:
„Ich habe einen sehr einfachen Glauben, dass Leben und Freude und Schönheit besser als der staubige Tod sind, und ich denke, wenn wir  der Musik lauschen, müssen wir alle empfinden, dass die Fähigkeit, solch eine Musik zu produzieren und die Fähigkeit, Musik zu hören, eine Sache ist, die sich lohnt zu erhalten und  nicht in törichte  Zankerei geworfen werden sollte. Man mag sagen, es ist ein einfacher Glaube, aber ich denke, dass alles Bedeutsame tatsächlich sehr einfach ist.“
(dt. Ellen Rohlfs, vom Verfasser autorisiert)