Der Frieden zwischen Israel und Palästina ist möglich !!

Uri Avnery vertritt seit 1948 die Idee des israelisch-palästinensischen Friedens und die Koexistenz zweier Staaten: des Staates Israel und des Staates Palästina, mit Jerusalem als gemeinsamer Hauptstadt. Uri Avnery schuf eine Weltsensation, als er mitten im Libanonkrieg (1982) die Front überquerte und sich als erster Israeli mit Jassir Arafat traf. Er stellte schon 1974 die ersten geheimen Kontakte mit der PLO-Führung her.

  • Uri Avnery trifft Jassir Arafat - Foto Uri Avnery 1982

  • Festakt zur Verleihung der Carl-von-Ossietzky-Medaille 2008 der Internationalen Liga für Menschenrechte. Von links nach rechts: Mohammed Khatib & Abdallah Aburama (Bürgerkomitee von Bil'in), Rachel Avnery, Fanny-Michaela Reisin (Präsidentin der Liga), Uri Avnery, Adi Winter & Yossi Bartal (Anarchists against the wall) - Foto Michael F. Mehnert CC BY-SA 3.0

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Archiv

Jun 13, 2009

Obama wird nicht zurückzwinkern


Fassen wir zusammen: es ist nicht nötig, über zwei Staaten zu reden, wenn sie schon in der Road Map erwähnt werden – verflucht sei ihr Name! Wir erklärten sie schon vor langer Zeit für tot, betrachten sie nun aber wieder als lebendig. Und wo etwas wie zwei Staaten erwähnt wird, ist es doch nicht nötig, es zu wiederholen. Es genügt doch in versteckter Weise darauf anzuspielen.


Obama wird nicht zurückzwinkern

Uri Avnery,

ERINNERT MAN sich an Dov Weisglass? An denjenigen, der sagte, dass der Frieden warten müsse, bis die Palästinenser Finnen würden? Und der davon redete, dass der Friedensprozess in Formaldehyd gelegt werden solle?

Doch von Weisglass wird man weniger in Erinnerung behalten, was sein Mund aussprach, als wie er mit den Augen zwinkerte. Weisglass ist der König des Zwinkerns.

In dieser Woche rief ihn Binyamin Netanyahu zu dringenden Konsultationen zu sich. Er benötigte eine Lektion „wie man mit den Augen arbeitet“ (eine wörtlich übersetzte Ausdrucksweise für „Mogeln“ im hebräischem Slang).

Man muss wissen: zwinkern ist das Hauptinstrument des Siedlungsunternehmens. Das Zwinkern ist der wirkliche Vater der Siedlungen. Das Zwinkern der Siedler. Das Zwinkern der Regierung. Regierungsvertreter erteilen keine Genehmigung, sie zwinkern. Sie sagen nein und zwinkern. Zwinkern und bauen. Zwinkern und legen Wasser –und Stromleitungen. Zwinkern und schicken Soldaten, um die Außenposten zu schützen und um die Palästinenser von ihren eigenen angrenzenden Feldern und Olivenhainen zu jagen.

Das Zwinkern ist auch das wichtigste Werkzeug israelischer Diplomatie. Alles geschieht mit Zwinkern. Die Amerikaner fordern ein Einfrieren des Siedlungsbaus – und zwinkern. Die Israelis sind damit einverstanden – und zwinkern zurück.

Es gibt nur ein Problem: es gibt kein gedrucktes Zeichen für ein Zwinkern. Der PC hat kein Standardsymbol dafür. Deshalb konnte Hillary Clinton in dieser Woche ehrlich behaupten, in keinem von den USA und Israel unterzeichneten Abkommen sei ein Zwinkern dokumentiert. Auch nicht in der Mitschrift einer direkten mündlichen Konsultation. Also gibt es keine Abmachungen. In keiner Akte, in keinem Dokument wird ein Zwinkern erwähnt.

Es kommt noch schlimmer: es scheint, dass die afro-amerikanische Kultur das Zwinkern nicht kennt. Als Netanyahu zum Weißen Haus kam und zwinkerte – reagierte Barack Obama nicht. Er zwinkerte und zwinkerte – und Obama verstand ihn nicht. Er zwinkerte und zwinkerte bis sein Gesicht schmerzte – nichts geschah. Obama dachte vielleicht, Netanyahu habe einen nervösen Tick. Das ist wirklich peinlich.

Was macht man mit einem, der kein Zwinkler ist? Wie – um Gottes willen - bringt man jemanden dahin, zurück zu zwinkern?


DAS IST das Hauptproblem, dem sich der Ministerpräsident Israels gegenübersieht.

Morgen wird er eine große Rede halten. Nicht nur groß, sondern eine historische. Seine durchschlagende Antwort auf Obamas Rede in Ägypten. Es wird alles getan, um die beiden Ereignisse gleichwertig zu machen. Obama sprach in der Kairoer Universität. Netanyahu wird in der Bar-Ilan- Universität reden, der Institution des religiösen rechten Flügels, aus der der Mörder Yitzhak Rabins kam.

Aber das ist auch das einzige, was sie gemeinsam haben. Obama umriss die Konturen des neuen Nahen Ostens. Netanyahu wird die Umrisse des alten Nahen Ostens aufzeigen. Obama sprach über eine Zukunft des Friedens, der Zusammenarbeit und der gegenseitigen Achtung. Netanyahu wird über eine Vergangenheit des Holocaust, der Gewalt, des Hasses und der Ängste reden.

Netanyahus größtes Problem ist, dass er glauben machen will, das Alte sei neu. Er will, dass die gestrigen abgegriffenen, alten Klischees wie der Sammelruf für einen neuen Morgen klingen. Aber wie soll das ohne Zwinkern geschehen, wenn man einer Person gegenübersteht, die die Sprache des Zwinkerns nicht versteht?

Wie soll man – ohne Zwinkern - über das „natürliche Wachstum“ der Siedler sprechen? Wie soll man – ohne zu zwinkern – über einen palästinensischen Staat sprechen? Wie soll man – ohne zu zwinkern - über beschleunigte Friedensverhandlungen mit den Palästinensern reden?

Die besten Schneider waren zusammengerufen worden, um zu beraten, wie des Kaisers neue Kleider aussehen sollen. Minister und Knessetmitglieder und Professoren und Zauberer und natürlich Shimon Peres.

Alle versammelten sich, um die Aufgabe zu lösen: es galt einen wunderschönen Umhang zu schneidern, modische Hosen und eine bunte Krawatte – Kleider solcher Art, die nur von sehr weisen Menschen gesehen werden können.


FRÜHER KONNTEN wir uns auf den Holocaust verlassen. Wir sprachen das Wort „Holocaust“ aus – und alle unsere Gesprächspartner verstummten. Wir konnten die Palästinenser unterdrücken, ihr Land stehlen, Siedlungen bauen, überall Kontrollpunkte wie Fliegendreck hinsetzen, den Gazastreifen blockieren und vieles andere. Wenn die Goyim (Nicht-Juden) ihren Mund zum Protest öffneten, riefen wir „Holocaust“ – und die Worte blieben ihnen in der Kehle stecken.

Was soll man mit jemandem tun, der selbst unaufhörlich über den Holocaust redet und die Leugner denunziert? Eine Person, die tatsächlich keine Ruhe lässt, bis sie ein KZ besucht und „Mr. Holocaust“ mit sich zieht, Elie Wiesel, persönlich?

Kein Wunder, dass unser Ministerpräsident sich in seinem Bett hin und her wälzt und seine Seele keine Ruhe findet. Netanyahu ohne Holocaust ist wie der Papst ohne Kreuz. Netanyahu ohne einen „Zweiten Holocaust“ – wie kann er über den Iran sprechen? Was kann er über die existentielle Gefahr reden, die uns daran hindert, Hütten in Judäa und Schuppen in Samaria abzubauen?

(Gott sei Dank gibt es kleine Vergünstigungen in dieser Situation: wenigstens ist Mahmoud Ahmadinejad, unser wichtigster Aktivposten in der Region, wieder gewählt worden.)


WAS WIRD Netanyahu also in seiner historischen Rede sagen?

Er wird versuchen, einen quadratischen Pflock in ein rundes Loch zu schlagen. Ja zu sagen, wenn er nein meint. Das taten seine Vorgänger. Ehud Barak tat es. Ariel Sharon tat es. Ehud Olmert tat es. Aber da gibt es einen großen Unterschied: sie taten es mit einem verschlagenen Zwinkern. Netanyahu muss es tun, ohne die Miene zu verziehen.

Er muss über zwei Staaten sprechen, ohne zwei Staaten zu erwähnen. Er wird über das Einfrieren des Siedlungsbaus reden, während das Bauen mit großer Geschwindigkeit weitergeht.

In der Vergangenheit gab es viele Möglichkeiten, mit dem Siedlungsbau weiter zu machen.
„Das jüdische Gehirn produziert Patente“, heißt es in einem volkstümlich hebräischen Lied. Neue Vororte wurden unter dem Vorwand gebaut, dass sie nur eine Erweiterung von bestehenden Siedlungen sind – in einer Entfernung von 10 Metern oder 100 oder eintausend oder zwei, solange sie noch in Sichtweite waren. Oder es wurde gesagt, dass die Bautätigkeit innerhalb der Siedlungsgrenzen stattfinden – aber der Verwaltungsbezirk der Maale Adumin-Siedlung ist zum Beispiel offiziell so groß wie ganz Tel Aviv.

Man kann auch mit George W. Bushs berühmtem Brief fuchteln, in dem er seine Meinung ausdrückt, dass in jedem zukünftigen Friedensabkommen „existierende israelische Bevölkerungszentren“ Israel angeschlossen werden sollen. Aber Bush definierte die „Bevölkerungszentren“ nicht genauer und umriss ihre Grenzen nicht. Und gewiss sagte er nicht, dass es uns erlaubt sei, vor dem Unterzeichnen eines endgültigen Abkommens, einschließlich eines möglichen Gebietsaustauschs, dort zu bauen. Auch nicht, dass er irgendwelche Autorität habe, bei solchen Sachen zu entscheiden

Man kann also über „natürliches Wachstum“ reden. Kein Problem. Frauen können in Produktionsstätten für Kinder, vorzugsweise Zwillinge und Drillinge, verwandelt werden. Man kann auch Kinder im Alter von 1 –101 adoptieren. Wenn es schließlich in der Familie ein neues Kind gibt, muss man noch ein Zimmer, noch ein Haus, noch ein neues Viertel bauen.

(Übrigens: das „natürliche Wachstum“ ist natürlich eine strikt jüdische Angelegenheit. Bei den Arabern gibt es kein natürliches Wachstum. Ihre Vermehrung ist unnatürlich.)


UND WIE ist es mit dem Staat Palästina, wie von Obama verlangt wird?

Das israelische Fernsehen erfüllte seinen Job in dieser Woche großartig, als es uns daran erinnerte, was Netanyahu vor nur sechs Jahren sagte: „Ein palästinensischer Staat – Nein!“ weil „ein Ja zu einem palästinensischen Staat ein Nein für den jüdischen Staat bedeuten würde.“

Netanyahu denkt anscheinend, dies sei nur eine Sache der Formulierung. Er kann erwähnen, dass wir in der Vergangenheit schon die Road Map akzeptiert haben, die etwas über einen palästinensischen Staat enthält. Wir haben die Akzeptanz allerdings von 14 Vorbehalten abhängig gemacht, die sie verstümmeln und so in ein bedeutungsloses Papier verwandeln. Aber vielleicht ist Obama damit zufrieden.

Fassen wir zusammen: es ist nicht nötig, über zwei Staaten zu reden, wenn sie schon in der Road Map erwähnt werden – verflucht sei ihr Name! Wir erklärten sie schon vor langer Zeit für tot, betrachten sie nun aber wieder als lebendig. Und wo etwas wie zwei Staaten erwähnt wird, ist es doch nicht nötig, es zu wiederholen. Es genügt doch in versteckter Weise darauf anzuspielen.

Aber was tun, wenn trotz allem die Amerikaner darauf bestehen, dass Netanyahu die zwei Wörter „Palästinensischer Staat“ mit seinem eigenen Munde äußert? Wenn es keinen anderen Weg gibt, könnte Netanyahu sie irgendwie murmeln und sehr leise ein „Pfui, Pfui, Pfui!“ hinzufügen und laut Voraussetzungen aussprechen, die sie jedes Inhalts berauben. Genau das tat Barak, danach Sharon und Olmert.

Die Erklärungen von Tzipi Livni und ihren Leuten erwecken den Eindruck, sie steckten in derselben Sackgasse. Auch sie scheinen zu glauben, wir könnten weiter über zwei Staaten reden und genau das Gegenteil davon tun, den Siedlungsbau einfrieren, aber lustig weiterbauen. Aus diesem Lager kommen keine neuen Botschaften, sondern nur Kritik an Netanyahu, dass er seinen Stil nicht verändert hat, um Obama zu gefallen.

ABER WORUM Obama bittet, ist keine neue Formel. Er verlangt die Akzeptanz des Prinzips der „Zwei Staaten“ als Grundlage für eine konkrete und rigorose Aktion: das Erreichen eines Abkommens über die Errichtung eines Staates, der „Palästina“ heißt, mit seiner Hauptstadt Ost-Jerusalem – ohne Siedlungen und all das andere Drum und Dran der Besatzung.

Er verlangt umgehend den Anfang von Verhandlungen, dass innerhalb von zwei bis drei Jahren – vor dem Ende seiner laufenden Amtszeit - wirklicher Friede hergestellt worden ist, ein Frieden, der die Existenz und die Sicherheit des „jüdischen Staates Israel“ (wie es George Mitchell diese Woche ausdrückte) und des arabischen Staates Palästina Seite an Seite sicher stellt.

All dies ist Teil der neuen Ordnung eines größeren Nahen Ostens von Pakistan bis Marokko und Teil einer weltweiten Vision.

Gegen diese Forderung bleibt ein Zwinkern à la Weisglass oder verbale Tricks à la Peres ohne Erfolg. In der Rede morgen am 14. Juni wird Netanyahu zwischen drei Alternativen zu wählen haben: einer frontalen Kollision mit den USA, einem vollkommenen Wandel seiner Politik oder dem Abtreten von der politischen Bühne.

Die Ära des Zwinkerns ist vorbei.

(Aus dem Englischen: Ellen Rohlfs und Christoph Glanz, vom Verfasser autorisiert)